12.3.5 ERV Europäisches Mahnverfahren / Bagatellverfahren

Das Europäische Mahnverfahren wird von ADVOKAT im Wege des ERV unterstützt.

Die Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens (EuMahnVO) ist ab 12. Dezember 2008 anwendbar.

Ziel des Europäischen Mahnverfahrens ist die Vereinfachung und Beschleunigung von Verfahren über unbestrittene Geldforderungen, die Verringerung der Verfahrenskosten sowie die Schaffung eines Titels der in allen Mitgliedsstaaten vollstreckbar ist.

Zur Einleitung des Europäischen Mahnverfahrens muss das Formblatt A ausgefüllt werden oder die Daten müssen - für Rechtsanwälte verpflichtend - im ERV erfasst werden.

Die Klage wird der beklagten Partei (Antragsgegner) mit einer Rechtsbelehrung zugestellt, den von der klagenden Partei geforderten Betrag einschließlich Zinsen und Kosten zu bezahlen oder binnen einer Frist von 30 Tagen Einspruch einzulegen. Langt innerhalb dieser Frist kein Einspruch ein, so wird der Zahlungsbefehl rechtskräftig und vollstreckbar, wobei eine Vollstreckung in allen Mitgliedstaaten ohne Durchführung eines Vollstreckbarerklärungsverfahrens möglich ist. Erhebt die beklagte Partei fristgerecht Einspruch, so wird das Verfahren nach den Regeln des ordentlichen Zivilprozesses weitergeführt.

Hinweis:
Viele Informationen und alle Formblätter finden Sie aus im Internet. Wir empfehlen die schriftlichen Formblätter zu lesen, weil dort die Felder und Eingaben umfangreicher beschrieben sind als es im ADVOKAT Programm möglich ist. Suchen Sie in Google mit "Europäischer Zahlungsbefehl Formblätter". Sie gelangen auf eine Seite "Europäischer Gerichtsatlas für Zivilsachen". Dort finden Sie den Menüpunkt "Formulare 1 bis 7".

Wie erstellen Sie eine Klage im europäischen Mahnverfahren im ERV:

1. Am einfachsten aus der ADVOKAT Forderungsbetreibung mit dem Kürzel 2SZEUM = Klage - Europäisches Mahnverfahren. Damit wird ein ERV-Schriftsatz in Rohfassung generiert, den Sie noch ergänzen müssen. Viele Felder werden schon aus dem Akt vorgeschlagen.

Land

Gericht

Unterstützte Formblätter

Österreich

G-008, Bezirksgericht für Handelssachen Wien
Es ist ausschließlich dieses Gericht zuständig.

alle

Deutschland

G-EU-DE, Amtsgericht Wedding

Formblatt A, Antwort auf Formblätter B und C

Estland

Pärnu Maakohtu Maksekäsuosakond

Keine

Italien

G-EU-IT, Tribunale Ordinario di Milano für die Gemeinden:
Assago, Baranzate, Basiglio, Bollate, Bresso, Buccinasco, Bussero, Cassina de' Pecchi, Cernusco sul Naviglio, Cesano Boscone, Cesate, Cormano, Corsico, Cusago, Garbagnate, Limbiate, Milano, Novate Milanese, Opera,
Pantigliate, Peschiera Borromeo, Pieve Emanuele, Pioltello, Rozzano, San Donato Milanese, Segrate, Senago, Settimo Milanese, Trezzano sul Naviglio

Formblatt A, Antwort auf Formblätter B und C
Beschränkung auf Streitwert > 5.000 €

Griechenland

G-EU-GR-AT, Athens Court of First Instance für die Region Attika:
Athen-Zentrum, Athen-Nord, Athen-Süd, Athen-West, Ost-Attika, West Attika, Piräus und Inseln: Ägina, Angistri, Hydra, Kythira, Poros, Salamis, Spetses, Trizinia

Formblatt A, Antwort auf Formblätter B und C

2. Aus dem Fenster Programme / ERV. Öffnen Sie mit Bearbeiten / Neu einen leeren ERV-Schriftsatz. Im Reiter Stammdaten wählen Sie die Schriftsatzart "EM = Europäisches Mahnverfahren".

Die meisten Felder und Reiter sind unter ERV Mahnklage näher beschrieben. Hier werden nur die Abweichungen erläutert.

Reiter Stammdaten

Abb. 273: Fenster "Europäische Mahnverfahren, Reiter Stammdaten"

Art
Es können mehrere Einträge ausgewählt werden, wobei aber je Teilnehmerstaat nicht alle Formblätter unterstützt werden:

  1. Formblatt A Neu

Dieses Formular dient zum Erstellen eines Antrags auf Erlassung eines europäischen Zahlungsbefehls, es entspricht also einer Mahnklage.

  1. Formblatt A Änderung

Wie ein Neuantrag mit Formblatt A, zusätzlich kann man eine GZ angeben. Dient zu Änderung einer Neueingabe nach Aufforderung durch das Gericht.
Das Gericht antwortet auf einen Antrag:
"Nachdem Ihr Antrag auf Erlass eines Europäischen Zahlungsbefehls geprüft worden ist, werden Sie gebeten, den beiliegenden Antrag in Bezug auf die nachstehenden Angaben so schnell wie möglich und spätestens bis zum ... zu vervollständigen und/oder zu berichtigen. Bei Nichteinhaltung der vorgenannten Frist für die Vervollständigung und/oder Berichtigung wird der Antrag vom Gericht nach Maßgabe der Verordnung zurückgewiesen."
Kopieren Sie den eingebrachten ERV-Schriftsatz und nehmen Sie die Änderung in der Kopie vor.

  1. Formblatt A Vervollständigung

Wie ein Neuantrag mit Formblatt A, zusätzlich kann man eine GZ angeben. Dient zur Vervollständigung einer Neueingabe nach Aufforderung. Kopieren Sie den eingebrachten ERV-Schriftsatz und nehmen Sie die Vervollständigung in der Kopie vor.

  1. Stellungnahme zu Formblatt C

Dieser Schriftsatz wird angewendet, wenn das Gericht die Klage geprüft hat und schreibt:
"Nach Prüfung Ihres Antrags auf Erlass eines Europäischen Zahlungsbefehls ist das Gericht zu der Auffassung gelangt, dass nur ein Teil der Forderung die erforderlichen Voraussetzungen erfüllt. Daher schlägt das Gericht vor, den Antrag wie folgt zu ändern: ..."
Mit Stellungnahme zu Formblatt C können sie diesem Vorschlag zustimmen, ansonsten wird die Klage zurückgewiesen.

  1. Ablehnung der Überleitung an ordentliches Gericht

Diese Erklärung kann man bereits bei der Klage (Formblatt A) abgeben. Daher wird das Formular für die nachträgliche Ablehnung kaum verwendet werden.

  1. Formblatt F Einspruch gegen den Europäischen Zahlungsbefehl

Ist in der ERV- Schnittstelle definiert, wird aber noch von keinem Gericht unterstützt.

  1. Sonstige Folgeeingabe (Incoming Letter)

Ist in der ERV- Schnittstelle definiert, wird aber noch von keinem Gericht unterstützt.

Option Ablehnung der Überleitung in ein ordentliches Verfahren
Wenn der Gegner Einspruch erhebt, wird entweder ein ordentliches Verfahren eröffnet (analog zum Einspruch gegen einen bedingten Zahlungsbefehl) oder, wenn Sie die Überleitung ablehnen, das Verfahren eingestellt.

Sprache
Einzugeben ist eine Sprache, die das Gericht akzeptiert. Auch in den freien Textfeldern muss diese Sprache verwendet werden. Bei einem italienischen Gericht wird das italienisch sein. Es können aber durchaus bei einem Gericht, je nach nationalen Vorschriften, auch andere Sprachen sein. Es ist standardmäßig "Deutsch" ausgewählt.

Gerichtsgebühren
Da per ERV nur Anträge an das Bezirksgericht für Handelssachen Wien (G-008) eingebracht werden können, werden die Gerichtsgebühren wie bei einer Mahnklage durch Gebühreneinzug bezahlt.

Reiter Personen

Rolle
Als Rollenbezeichnungen kommen in Frage:

  • Antragsteller: Entspricht dem Kläger

  • Antraggegner: Entspricht dem Beklagten

  • Abtretender: Im schriftlichen Formular gibt es unter Punkt 6 Hauptforderung folgendes Feld: "Die Forderung ist dem Antragsteller von folgendem Gläubiger abgetreten worden". Sie können den Gläubiger durch die Rolle "Abtretender" bekannt geben.

Der Antragssteller oder der Antraggegner (oder beide) müssen einen Wohnort im Ausland haben; Fenster Personenstamm, Feld Internationales Kennzeichen ungleich A oder AUT oder leer. Am europäischen Mahnverfahren nehmen die EU-27-Länder ohne Dänemark, Bulgarien und Rumänien teil.

Gericht
Es ist immer das Bezirksgericht für Handelssachen Wien (G-008) zuständig. Dorthin wenden Sie sich auch am besten bei inhaltlichen Fragen. Die Sachbearbeiter sind unserer Erfahrung nach hilfsbereit.

Reiter Forderung

Beschreibung und Höhe des Anspruchs
Der Anspruch muss in mehreren Feldern mit Hilfe von Codes definiert werden. Der Sinn von Codes anstelle von freiem Text ist, dass diese automatisch in andere Sprachen übersetzt werden können.

Bezug zu Verbrauchervertrag
Die Forderung bezieht sich auf einen Verbrauchervertrag? Ja/Nein.

Währung
Die Zahlung der Forderung kann in allen Währungen der EU-27-Staaten verlangt werden:

Sonstige Kosten
Die beantragten Kosten (Honorar des Vertreters, des Antragstellers oder vorprozessuale Kosten) müssen in diesen Feldern beantragt werden. Da es keinen Normalkostentarif gibt, ist es ratsam, die Kosten nach RATG, Streitgenossenzuschlag, Einheitssatz, USt, Pauschalgebühr mit Text und Betrag einzeln anzuführen. Es ist der Antragscode "02" zu verwenden.

Wenn der Antrag aus der ADVOKAT Forderungsbetreibung erstellt wird, dann wird automatisch ein Kostenverzeichnis wie bei einer Mahnklage nach TP2 generiert.

Hinweis: Die Rechtsmeinung eines Bediensteten des HG Wien: "Ein detailliertes Kostenverzeichnis ist nicht notwendig; es wird automatisch TP2 zugesprochen" wurde in anderen Entscheidungen des HG Wien nicht geteilt.

Der Code "01 Antragsgebühr" kann nur ohne Betrag verwendet werden. Mit diesem Code wird nur die PG beantragt.

Beachten Sie bitte auch die Erläuterungen im Originalformular (am besten in Google suchen nach "Formblatt A europäisches Mahnverfahren").

Reiter Zinsen

Zinsstaffel
Im schriftlichen Formular kann man bei Zinsen neben (viertel-, halb)jährlicher, monatlicher Verzinsung auch "Sonstige" Zinsengrundlage angeben. Diese Zinsen müssen im Feld Erläuterung näher ausgeführt werden.

Bei der Auswahl "Vom Antragsteller errechneter Betrag" wird der Betrag in das Feld Zinsen aus geschrieben.

Jede Zinsstaffel muss sich auf eine Forderung beziehen. Sie müssen im Feld Forderung die lfd. Nummer einer bestehenden Forderung eingeben.

Reiter Sonstige (Angaben)

Begründung der gerichtlichen Zuständigkeit
Mindestens ein Grund muss angegeben werden.

Beweise für die Richtigkeit des Vorbringens
Der Beweis muss sich auf eine Forderung beziehen. Sie müssen in der Spalte Forderung die lfd. Nummer einer bestehenden Forderung eingeben.

Reiter Sonstige (Angaben) 2
Angaben für Forderungen, die sich auf einen Verbrauchervertrag beziehen

Reiter Weiteres Vorbringen
Formatierungen können - im Unterschied zum ERV Mahnverfahren - nicht an das Gericht übermittelt werden. PDF-Anhänge sind aber möglich.

Hinweise

Bankverbindung für Zahlung und Einziehung
Die Bankverbindung wird wie üblich in folgender Reihenfolge aus dem Personenstamm des Gegners (Antragsgegner), Klienten (Antragsteller), Einbringer genommen.

Übersetzung freier Texte
Wenn der Antraggegner in einem Staat mit nicht deutscher Sprache lebt, wird das Formblatt automatisch übersetzt. Daher ist es sinnvoll, möglichst nur Formularfelder zu verwenden. Wenn Sie freie Textfelder verwenden, werden diese nur auf speziellen Antrag und auf Kosten des Antragstellers übersetzt.

Rückverkehr im europäischen Mahnverfahren

Ab April 2013 gibt es im europäischen Mahnverfahren auch Rückverkehr und zwar folgende Arten:

  • Formblatt B = Verbesserung

  • Formblatt C = Änderungsvorschlag

  • Formblatt D = Zurückweisung

  • Formblatt E = Europäischer Zahlungsbefehl

  • Formblatt G = Vollstreckbarkeitsbestätigung

  • Letter = Formlose Information

  • Response = Info über Aktenzeichen, etc.

Der eigentliche Inhalt befindet jeweils sich in einem angehängten PDF.

Exkurs: Europäisches Bagatellverfahren

Die Verordnung (EG) Nr. 861/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 zur Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen (EuBagatellVO) ist ab 1. Jänner 2009 unmittelbar anwendbar. Ziel der EuBagatellVO ist die Vereinfachung und Beschleunigung von grenzüberschreitenden Verfahren über Forderungen bis zu einem Streitwert von 5.000 Euro, die Verringerung der Verfahrenskosten sowie die Schaffung eines Titels der in allen Mitgliedsstaaten vollstreckbar ist.

Die Verordnung ist grundsätzlich in Zivil- und Handelssachen anzuwenden, ohne dass es auf die Art der Gerichtsbarkeit ankommt, wenn der Streitwert zum Zeitpunkt des Gerichtsanhängigwerdens der Klage 5.000 Euro nicht übersteigt. Es gibt aber eine Reihe von Ausnahmen vom Anwendungsbereich.

Die EuBagatellVO kommt zudem nur bei Vorliegen einer grenzüberschreitenden Rechtssache zur Anwendung. Eine solche liegt vor, wenn mindestens eine der Parteien ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat als dem des angerufenen Gerichts hat.

Das Europäische Bagatellverfahren wird von der Klägerin/dem Kläger durch Einreichung des ausgefüllten Klageformblatts beim zuständigen Gericht eingeleitet. Die Zuständigkeit richtet sich nach der Brüssel-I-VO.

Das Europäische Bagatellverfahren wird vom Kläger durch Einreichung des ausgefüllten Klageformblattes beim zuständigen Gericht des Schuldners (dies kann Österreich oder das EU Ausland sein) eingeleitet, welches die Zustellung an den Beklagten vornimmt.

Der Beklagte hat darauf binnen 30 Tagen zu "antworten", also eine Klagebeantwortung zu erheben. Das Verfahren soll grundsätzlich schriftlich durchgeführt werden, es kann aber auch eine mündliche Verhandlung durchgeführt werden. Das Gericht erlässt binnen 30 Tagen nach Abschluss der Beweisaufnahme ein Urteil, welches bereits vor seiner Rechtskraft gleichermaßen in allen Mitgliedstaaten vollstreckbar ist.

Die EuBagatellVO sieht vier Formblätter vor:

  • das "Klageformblatt" (A)

  • das "Antwortformblatt" (C)

  • das "Formblatt zur Erteilung eines Verbesserungsauftrages an den Kläger betreffend die Klage" (B) und

  • das "Formblatt zur Bestätigung des Urteiles" (D)

Wie erstellen Sie eine Klage im europäischen Bagatellverfahren im ERV (der österreichische ERV kann nur verwendet werden, wenn ein österreichisches Gericht zuständig ist)?

Für das Europäische Bagatellverfahren gibt es in ADVOKAT zwei Formulare:
2SZEUB - Formblatt A, Klageformblatt, es handelt sich um eine sonstige Ersteingabe.
1SZEUB - Formblatt F, Antwortformblatt für Einspruch

Die Formulare in allen Landessprachen finden Sie - mit etwas Geduld! - im Internet:
https://eur-lex.europa.eu/homepage.html?locale=de

Dann die Sprache anklicken und die Verordnung mit Formular als PDF herunterladen.

Die Zuständigkeit richtet sich nach der https://www.help.gv.at/linkaufloesung/applikation-flow?leistung=LA-UP-GL-USP_EGVO_442001&quelle=USP&flow=LO.

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